Alles andere ist nur Radio

Reindeer King
Tori Amos

20.04.2020 muenic
2 Min. Lesezeit
Die US-Amerikanerin Tori Amos ist eine der erfolgreichsten und zugleich polarisierendsten "Popart"-Künstlerinnen unserer Zeit. Sie ist aber eher in den USA bekannt und erfolgreich, denn von ihren bisher 19 Singles hatte sie in Deutschland nur mit dreien einen mäßigen Erfolg in den Neunziger Jahren erzielt, darunter ihr in Deutschland bekanntester Song "Professional Widow" (1997). Mit ihrem im Jahr 2017 veröffentlichten 15. Studioalbum "Native Invader" widmet sie sich konzeptionell der Natur und "ergründet klanglich sowie bildlich, wie die Natur mit ihren entgegengesetzten Kräften neues Leben erschafft und durch die Zyklen von Tod und Neugeburt vollständige Erholung herbeiführt. Sie kann sich immer wieder erneuern – steckt diese Fähigkeit auch in uns?" fragt Tori Amos in einem Interview und hat somit den tieferen Sinn des Albums erklärt.

Thematisch mag sich das Album durchaus vom Einheitsbrei der Musiklandschaft abheben, melodisch-musikalisch hat mich jedoch nur der erste Song "Reindeer King" so richtig begeistert - allerdings erst nach mehrmaligem Hören, dafür ist er umso mehr einer meiner Lieblingssongs geworden. Denn neben ihrem virtuosen, teils bedrohlich wirkenden Klavierspiel und dem dezenten Syntheziser-Orchester kommt hier ihre Stimme in gut sieben Minuten ausserordentlich gut zur Geltung. Auf die Art habe ich sie noch nie singen gehört; gut, ich bin auch kein erklärter Fan von ihr und kenne daher nur einen Bruchteil ihrer Lieder.
Dieser Song ist übrigens keine fröhliche Weihnachtsmusik über ein rotnasiges Rentier mit Jingle Bells im Hintergrund. Stattdessen ist es eine metaphorische und lyrisch anspruchsvolle Ballade über die mythische Figur des titelgebenden Rentierkönigs, ferner über endloses Eislaufen und - man höre und staune - über die Jupitermonde. Laut eigener Aussage beobachtete Tori nämlich Bilder von der Cassini-Sonde der NASA, die Anfang 2017 zwischen den Saturnringen hin- und herschoss und Bilder von den Ringen und Monden von Jupiter und Saturn nach Hause schickte. Sie erklärte zudem in einem Interview: "Jahrelang hatten mir die Leute von der magischen Atmosphäre erzählt, die entsteht, wenn Gewässer überfrieren und Hunderte von Menschen kilometerweit Schlittschuh laufen." So lautet dann auch der letzte, romantisch anmutende Vers:
Du weißt, dass ich Eislaufen würde,
den ganzen Weg Eislaufen würde,
nur um deine Hand zu halten,
um deinen Schmerz wegzunehmen.
Du weißt, dass ich Eislaufen würde,
von Skandinavien
den ganzen Weg
bis zu den Monden des Jupiters
mit Dir...

Tori Amos (aus dem Englischen übersetzt von muenic)
Dieses Lied kann man sich also trotz einer leicht traurigen Grundstimmung sowohl an einem kalten Winterabend als auch an einem lauen Sommermorgen anhören. Natürlich mit Kopfhörern, denn Gänsehaut ist auf diese Art des Hörgenusses bei jeder Wetterlage garantiert.
 
 
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